Bei einer Grabung herrscht ein ziemliches Kommen und Gehen. Eine feste Kerntruppe bleibt zwar die ganze Kampagne über vor Ort, viele Wissenschaftler und Experten und bleiben aber jeweils nur ein paar Tage. Vorher waren sie teilweise schon auf anderen Feldeinsätzen und nachdem sie dann hier ihr Wissen beigesteuert haben, geht es auch für die wenigsten wieder direkt nachhause.
Der nächste Flughafen liegt in der Hauptstadt Chişinau, je nach Fahrweise und Verkehrslage drei bis fünf Stunden Autofahrt entfernt. Am vergangenen Mittwoch wurde bei Abendessen festgestellt, dass das Auto, nachdem alle am Flughafen abgeliefert sein würden ja auch irgendwie wieder zurück nach Stolniceni kommen muss. Zum Glück gibt es ja den Zeichner, der sich mit vielversprechenden Motiven und Großstadtluft ködern lässt.
Das vielversprechende Motiv war eine Vertragsunterzeichnung über die weitere Zusammenarbeit der Römisch-Germanischen-Komission, der Universitatea Şcoala Anthropologică Superioară und dem SFB1266 der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ich hatte direkt große Szenen vor Augen.
Schließlich lief der Vertragsabschluss dann aber ganz unspektakulär im Hof der Universität ab:
Wir sind nur zu fünft und außer einer dicken Katze interessiert sich niemand für das was hier geschieht. Nebenbei wird Espresso getrunken, mit den Handys von Johannes Müller (SFB/Kiel) und Marc Tkaciuc (Şcoala Anthropologică Superioară) halte ich diesen Moment Weltgeschichte für Facebook fest. Nebenbei wird über die neue deutsche Botschafterin gesprochen über den frühesten Grassteppen-Kurgan diskutiert („nicht vor 3700!“).
Diese Diskussion wird später bei Bier und Knabberkram weitergeführt. Manzura erzählt vom Bürgerkrieg, der nur von Juni bis Oktober dauerte, weil dann der Wein geerntet werden musste. „Das Weinfest ist heilig!“, fügt Stas hinzu.
Bevor wir am nächsten Tag den nächsten Kollegen vom Flughafen abholen, fahren Stas und ich noch einmal zur Universität, die eigentlich kaum noch Studenten hat, weil sie gerade zu einem Forschungszentrum umgewandelt wird. Wir besorgen ein paar Sachen für die Grabung: Eimer gibt es inzwischen genug, jetzt mangelt es an Transportkisten.
Die Stadt präsentiert sich in schönstem Herbstanfangswetter. Wir machen uns auf zum Flughafen. Stas wohnt hier schon lange genug, um zu wissen, welche Straßen wann frei sind. Er lotst mich geschickt durch die mehrspurigen Kreisverkehre, die zwar mehrspurig befahren werden aber natürlich keinerlei markierte Spuren haben. Nach dem dritten Mal habe ich das Konzept halbwegs durchschaut. „Wenn wir hier raus sind,“ sagt Stas, „kannst du dir ein T-Shirt bedrucken mit I Survived Chişinau Traffic. Wir schaffen es lebend zum Flughafen, laden den Geologen ein und fahren dann schließlich zurück nach Stolniceni.
Am Laden ist noch einiges los, ein paar Studenten trinken mit den Dorfbewohnern Bier. Ich setzte mich dazu. Schön wieder zuhause zu sein.