Das Sojafeld ist gelb geworden, nur Flecken von klettigem Unkraut sind noch grün. Der Himmel ist immer öfter bedeckt, auch Schauer werden häufiger. Die Nächte und Morgen werden nach und nach frischer, es ist zu spüren, dass die Tage des Sommers gezählt sind. Auch wir bleiben nicht mehr lange, morgen, am Freitag, geht es schon zurück. Dann wird es hier wieder ruhiger.
Die Teammitglieder aus Moldawien, Rumänien und der Ukraine bleiben noch mindestens eine Woche, genau wie die Geophysik-Doktorandinnen und einige Mitarbeitende der Römisch-Germanischen Kommission. Bald ist es aber auch für sie Zeit, in ihre jeweiligen Heimat zurückzukehren.
Bevor wir abreisen, gibt es noch einiges zu tun und natürlich sind diese letzen Tage, wie bei jeder Grabung ein bisschen stressig. „Man braucht immer so lange für eine Arbeit, wie man dafür Zeit zur Verfügung hat“ sagt Lennart. Sein Testschnitt muss heute fertig werden, genau wie der von Jan. Mariana hat für ihren noch etwas mehr Zeit, sie reist erst später ab.
Diese drei Testschnitte wurden vor fast drei Wochen „aufgemacht“, vor allem, um aus unterschiedlichen Teilen der Siedlung datierbares Material, also Knochen zur Verfügung zu haben. Anhand dieser lässt sich dann feststellen, ob die unterschiedlichen Siedlungsringe und -Bereiche gleichzeitig oder oder eher nacheinander existiert haben. Wurden weitere Häuserringe um einen ältesten inneren Kreis angelegt? Oder wurde die Siedlung von vornherein in Ringen geplant und gebaut? Lennart sagt, dass hier von der zweiten Variante ausgegangen wird. Sobald die C14-Datierung der Knochen abgeschlossen ist, wird man etwas sicherer sein können.
„Testschnitte sind super, weil man nur einen Teil einer Struktur gräbt und eigentlich herausfinden kann, was man will.“ Marta und Lennart zählen noch weitere positive Nebenwirkungen von Testschnitten auf. Die Keramik, die dabei gefunden wird, kann mithilfe der Knochen ebenfalls genauer datiert werden, sodass der Informationskatalog dazu ständig wächst. Außerdem bieten Testschnitte die Möglichkeit, auch mal Situationen zu graben, denen bisher noch nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Zum Beispiel Gruben-Haus-Komplexe, wie in Marianas Schnitt, die durchaus interessante Funde bergen können. Lennart sieht in den Gruben vor allem Materialquellen für dazugehörigen Häuser, aus denen zum Beispiel Lehm für den Wandputz gewonnen wurde. Innerhalb dieser Gruben sind dann oft Scherben und Knochen, zu finden, teilweise auch Überreste älterer abgerissener Häuser, die dort verklappt wurden, um Platz für Neues zu machen.
Lennart gräbt ebenfalls eine Situation, die bisher eher selten genauer betrachtet wurde: den Zwischenraum zwischen zwei Häusern. Sein Schnitt ist mit 13 Metern eigentlich etwas zu lang für einen Testschnitt aber dafür hat er an jedem Ende eine Stück eines Hauses und dazwischen eine Art Aktivitäts- oder Arbeitsbereich, „vielleicht sogar mit unverbranntem Lehmboden“ meint er. Interessant!
Jans recht abgelegener Schnitt, der eigentlich wirklich nur der Datierung dienen sollte, ist dann auch noch ganz interessant geworden: Nachdem der Ackerboden abgetragen war, trat eine Schicht Keramik zum Vorschein, darunter helle Brandlehmstücke, Überreste einer Installation. Bevor die jeweils Nächste Schicht herausgenommen werden kann, wird dokumentiert: Fotos für Fotogrammetrie (die Bilder werden mithilfe eingemessener Punkte entzerrt) und „Structure for Motion“ (ein Programm für die Bilder automatisch zu einem 3D-Modell zusammen).
Dann wird gezeichnet. Zumindest bis gestern, heute ist dafür keine Zeit mehr. Zwischendurch werden noch Einzelfunde mit dem Tachymeter eingemessen und Botanikproben genommen. Für die Botaniker sind die Testschnitte ebenfalls wichtig, sie finden hier Materials welches sie mit dem aus den Hauptschnitten vergleichen können.
Nachdem Jan den darunterliegenden Boden (natürlich ebenfalls Brandlehm) herausgenommen hatte, kam allerdings wieder Keramik. „Sehr komplex“, sagt Jan. „Jeder sagt etwas anderes dazu“. Für die einen ist es ein klarer Fall von Zweistöckigkeit, die anderen erkennen eher eine Störung und sprechen von Absacken und Verkippen. Bjarne meint, dass die unterste Schicht auch Reste eines älteren Hauses sein könnten, das niedergebrannt wurde, um Platz für ein neues zu machen. Die Theorie hört Jan auch schon zum dritten Mal. Jetzt sucht er aber nach einem Spaten um die Profilkanten zurückzusetzen, erstmal muss der Schnitt fertig werden, dann kann man sich immer noch Theorien ausdenken.