Die Schule hat wieder angefangen! Schon auf dem Weg zur Schule begegnen Sara und ich einigen Kindern, die mit großen Rucksäcken auf dem Rücken zum Unterricht stapfen. Ein paar Jungs geben mir die Hand. In der „Clasele Primare“ bauen wir unser Equipment auf. Die Schule wird in absehbarer Zeit schließen müssen, 80 Kinder sind zu wenig, schon jetzt werden Klassen zusammengelegt. Noch ist hier aber einiges los. Ein paar kleine Schüler kichern vor unserer Tür, die ganz mutigen stecken sogar kurz ihren Kopf ins Zimmer und zu sehen was wir machen. Ich klappe meinen Laptop auf, Sara befestigt die Kamera am Stativ.
Eine der Lehrerinnen steht am Haupteingang und passt auf, dass die Schüler gründlich ihre Schuhe von Dreck befreien, bevor sie das hübsch hergerichtete Gebäude betreten. Gestern Abend und über Nacht hat es kräftig geregnet, dementsprechend matschig sind auch die Wege zur Grabungsfläche. So matschig, dass heute erst um zwölf angefangen wird zu graben. Bis dahin gibt es aber genug anderes zu tun. Ein paar Studierende kommen zu uns in die Schule um Sara Nachschub zu bringen und selbst etwas zu arbeiten: Fotos werden sortiert, Tachymeter-Listen erst durcheinander gebracht und dann schließlich geordnet, Botanikproben werden umgefüllt und schonmal kurz unters Mikroskop gehalten.
Sara macht sich daran, weiter Keramikscherben zu fotografieren. Sie hat schon die letzte Woche damit verbracht, hier in der Schule erst die Einzelfunde und dann Keramik zu dokumentieren. Bei ihr kamen all die schicken Sachen vor die Linse, die bisher zu Tage gefördert wurden: neben einigen kleine Figurinen, eine Menge kleiner Tonkegel, die hier als „Tokens“ bezeichnet werden. Darunter einige größere, teilweise mit Verzierungen. Über ihre Funktion sowohl Studenten als auch Professoren und Doktoren noch uneinig. Die einen sehen darin eindeutig Spielsteine, die anderen eher Rechenhilfen für die Viehhaltung.
Der Großteil dieser Tokens wurde außerhalb der Siedlung gefunden, innerhalb einer großen runden Geomagnetikanomalie, die sich mit Kalk-Konkretionen im Planum, also „kleinen weißen Flecken im Boden“ einen knappen Meter unter der heutigen Erdoberfläche decken.
Gut, dass wir seit Freitag Geologen und Geophysikerinnen mit an Bord haben. Als Stefan (Geologe) und Natalie (Geophysikerin) am Samstag die Grabung gezeigt wurde, konnten die beiden natürlich noch nicht allzu viel dazu sagen. „Filling of former cavities in the ground,“ vermutete Stefan. Warum diese Cavities allerdings auf einmal aufhören, aber auch unter Kais Graben zu finden sind, bleibt zunächst unbeantwortet. Auch zu Stas’ Frage, ob diese Einlagerungen vielleicht eine Folge von Viehhaltung in diesen Bereichen sein könnte, will Stefan noch nichts sagen.
Neben zerscherbter Keramik und den Tokens wurden in diesem Schnitt vor allem Knochen und Knochenwerkzeuge gefunden. Dazu würde ein Viehhaltung natürlich gut passen. Für die Tokens würde das ein starkes Argument in Richtung Zählsystem bedeuten.
Die Studierenden sind inzwischen zum Grabungshaus gefahren, Sara macht Espresso und zeigt mir, wie sie Keramikrandstücke so fotografiert, dass der Rand eine gerade Linie bildet. Für eine Veröffentlichung würde ein solches Foto um Zeichnungen der Kante ergänzt, um die Krümmung der Scherbe zu zeigen.
Die großen, inzwischen teilweise zusammengeklebten Keramikgefäße, die über Kopf vor mir auf dem Tisch stehen, bewahrt sie sich bis zum letzten Tag auf. Teils, weil sie dafür ihr Stativ und Licht komplett umbauen muss und teils, weil die am schönsten zu fotografieren sind. „Weniger nerviger Kleinkram“ sagt sie.
Sie löst die Kamera aus. Es blitzt. Sie begutachtet das Bild auf dem Bildschirm der Kamera und nimmt dann einen Handspiegel, mit dem sie das Licht auf den Griff der Scherbe reflektiert. Klick. Blitz. Anschauen. Ok, besser.
Draußen donnert es. Der Regen hat wieder angefangen.